Struktur- und Prozessoptimierung der AT-Vergütung

Vergütung | Prozessoptimierung | Kennzahlen

Ausgangssituation

Ein mittelständisches Unternehmen der Biopharmazie in Familienhand war durch Markterfolg enorm gewachsen und hatte expandiert, auch international. Die tarifliche Vergütung in dem Unternehmen mit ca. 1.300 Mitarbeitern folgte den Tarifverträgen der Chemie (IG-BCE). Darüber hinaus gab es etwa 110 außertarifliche (AT) Mitarbeiter.

 Unzufriedenheit durch nicht transparente AT-Vergütungen

Bei der AT-Vergütung bestand Handlungsbedarf. Einerseits wurden Neueinstellungen im AT-Bereich zum Teil mit Entgelten deutlich über dem Unternehmensniveau vorgenommen. Das hatte zu Unzufriedenheit bei den langjährigen AT-Mitarbeitern geführt. Andererseits gab es keinen klaren Prozess für die Entgeltüberprüfung und -anpassung. Anpassungen erfolgten nur gelegentlich auf Verlangen einzelner Mitarbeiter und/oder deren Vorgesetzter.

Weiterhin gab es bei der Höhe der variablen Vergütung (sowohl absolut als auch im Verhältnis zum Grundentgelt) erhebliche Unterschiede. Aufgrund der expansiven Entwicklung des Unternehmens hatte die Geschäftsführung mit neu eingestellten AT-Mitarbeitern sehr hohe variable Vergütungsanteile vereinbart. Beim AT-Mitarbeiterbestand orientierte sich die variable Vergütung zum überwiegenden Teil jedoch noch an der tariflichen Jahresleistung (Weihnachtsgeld). Sie war damit erheblich geringer als die Zielboni der neueingestellten AT-Mitarbeiter.

AT-Entgeltbewertungssystem und Entgeltüberprüfung

Der Auftrag lautete, ein AT-Entgeltbewertungssystem mit verfügbaren Marktvergleichen einer externen Vergütungsberatung auszuwählen und einzuführen sowie mit dem Betriebsrat zu verhandeln. Darüber hinaus sollten die Stellenbeschreibungen angepasst werden, um eine markt- und leistungsgerechte sowie transparente Vergütungsstruktur aufzubauen. Das Projekt wurde von vorneherein auf längere Dauer angelegt. Dabei wurde der HR Experte zunächst als Personalleiter eingestellt. Zeitgleich wurde vereinbart, dass er das Projekt später als Interim Manager weiter begleitet.

Vergütungshöhe an den Markt heranführen

Insbesondere wurden für das Projekt die folgenden Ziele vereinbart:

  • Die Vergütungshöhe sollte mittelfristig an die Gegebenheiten des Marktes herangeführt werden. Dabei sollte die Grundvergütung unterhalb des Marktes liegen, die Zielboni jedoch deutlich über dem Markt.
  • Es sollte eine Hierarchie der AT-Stellen (Grading) eingeführt werden und in der Zielstruktur eine einheitliche prozentuale Höhe der Zielboni, abhängig vom Grade (zwischen 5 Prozent im niedrigsten Grade und bis zu 30 Prozent im höchsten Grade).
  • Die Stellenbeschreibungen sollten unter Verwendung der vergütungsrelevanten Kriterien des ausgewählten AT-Entgeltbewertungssystems überprüft und ggf. angepasst werden.
  • Jährliches Überprüfungsverfahren der AT-Entgelte entwickeln und einführen
  • Ferner galt es, ein jährliches Überprüfungsverfahren der AT-Entgelte mit den folgenden Unterzielen zu etablieren:
  • Erwartungen der Shareholder: Die Effekte der Entgeltanpassungen sollten in Form verschiedener Szenarien in € für das aktuelle Jahr und die Folgejahre transparent und übersichtlich vor der Genehmigung der Erhöhungen zur Verfügung stehen.
  • Heranführung der Entgelte an den Markt und an die Vorgaben zu Boni (in % zum Grundentgelt pro Grade)
  • Berücksichtigung von Lage zum Marktvergleich, Höhe der Zielboni im Vergleich zum Zielwert in % vom Grundgehalt sowie Leistung im Vorjahr
  • Weitgehende Automatisierung des Verfahrens: Upload der Daten aus SAP, Berechnung aller Szenarien, Erstellung von Reports und der individuellen Informationsschreiben über das Ergebnis der Entgeltüberprüfung per Serienbrief
  • Ausgewählte Führungskräfte sowie der Betriebsrat sollten in die Ausgestaltung und Einführung des Systems eingebunden werden.
  • Die Struktur der variablen AT-Vergütung sowie der Prozess der jährlichen AT-Entgeltüberprüfung sollten in einer Betriebsvereinbarung festgehalten werden.
  • Belastbare Marktdaten erlauben Vergleichbarkeit der Vergütung

 Die erste Herausforderung bei der Projektumsetzung war die Suche nach einer geeigneten Vergütungsberatung, die über belastbare Marktdaten für den pharmazeutischen Bereich verfügte. Die Wahl fiel schließlich auf einen Anbieter, der ein analytisches System zum Job Grading anwendet. Dieses System berücksichtigt nicht nur den „Grade“, also die Wertigkeit, der Stelle im Unternehmen. Es betrachtet vielmehr auch das „Karriereband“, also die prägende Aufgabe der Stelle im Unternehmen (Unternehmensleitung, Management, Vertrieb, Anwendung von Spezialwissen, etc.) und die Funktion (Finanzen & Controlling, HR, IT, Herstellung, Qualitätskontrolle, etc.). Dadurch ermöglicht es dieses System, eine Vergleichbarkeit der Vergütung innerhalb der pharmazeutischen Industrie in Deutschland herzustellen.

Die Daten-Aktualisierungen des Anbieters waren jährlich verfügbar. Zudem wurden sie auch in Form einer reinen Datentabelle zur Verfügung gestellt, die in Excel hochgeladen werden konnte. Das ermöglichte eine jährliche automatische Neubewertung der Vergütungshöhe (aus dem SAP System) im Vergleich zum Markt durch ein Ampelsystem.

Stellenbeschreibungen gesichtet und für die Neubewertung angepasst

Um die Zuordnung und Bewertung aller AT-Stellen im Unternehmen über das System sicherzustellen, mussten die bestehenden Stellenbeschreibungen gesichtet und in vielen Fällen aktualisiert werden. Dazu wurden im Vorfeld die Personalreferenten geschult, die Führungskräfte und der Betriebsrat informiert und die Führungskräfte hinzugezogen. Vor allem die Diskussionen mit den Führungskräften erwiesen sich in vielen Fällen als sehr fruchtbar. Denn es wurde nicht nur über die Stellenausprägung und Ziele gesprochen, sondern auch über die Stelleninhaber und deren Entwicklungsbedarfe.

 In Einzelfällen wurde die Wertigkeit und Ausprägung einzelner Stellen von den oberen Führungskräften anders gesehen als von der Personalabteilung. Diese Differenzen wurden zusammengetragen und dann von der Geschäftsführung entschieden. In wenigen Fällen führten diese Entscheidungen auch zur Anpassung der Organisationsstruktur.

Jährliche Entgeltüberprüfung und Reporting programmiert

Nach der analytischen Bewertung aller AT-Stellen im Unternehmen programmierte der Interim Manager in Excel ein System für die jährliche Entgeltüberprüfung mit folgenden Funktionalitäten:

  •  Upload der Entgeltdaten aus SAP der jährlichen Benchmarks der Vergütungsberatung
  • Bericht für die Geschäftsführung und die Shareholder: Berücksichtigung eines Investitionsbetrages für die Erhöhungen; Errechnung der Auswirkungen nach den Vorgaben (in Szenarien) auf das Grundgehalt und den Bonus der einzelnen Stellen unter Berücksichtigung der Marktdaten (Ampelsystem); Errechnung der Effekte im Erhöhungsjahr und den Folgejahren)
  • Berichte für die oberen Führungskräfte: Aufstellung der Auswirkungen der Überprüfung auf die AT-Führungskräfte im eigenen Bereich, d. h. Vorschläge für die Erhöhung von Grundentgelt und Bonus (Ampelsystem) mit der Möglichkeit, Abweichungen davon zu beantragen
  • Erstellung einer Liste, mit der Serienbriefe zur individuellen Information der AT-Führungskräfte über die Ergebnisse der Entgeltüberprüfung produziert werden konnten.

Parallel dazu erstellte der Interim Manager eine Präsentation für die Shareholder über die Struktur des neuen Systems, dessen Auswirkungen und einen Einführungsplan zur Genehmigung.

Unstimmigkeiten über AT-Vergütungssystem in Workshops ausgeräumt

Gegen Ende des Prozesses zeigte sich anlässlich der Verteilung einer Broschüre über das neue AT-Vergütungssystem, dass nicht alle Führungskräfte das Vorhaben ganz akzeptiert hatten. Daher wurden Vergütungssystem und geplante jährliche Überprüfungsroutine noch einmal bei mehreren Workshops mit allen oberen Führungskräften diskutiert. Auf diese Weise konnten Bedenken einiger Führungskräfte ausgeräumt werden. Zudem wurde die Broschüre angepasst. Anschließend wurde sie in Informationsveranstaltungen an die AT-Führungskräfte übergeben.

Zuvor hatte der Interim Manager die neue Struktur der variablen AT-Vergütung sowie den Prozess der jährlichen AT-Entgeltüberprüfung mit dem Betriebsrat abgestimmt und die Ergebnisse in zwei Betriebsvereinbarungen festgehalten.

Neues AT- Vergütungssystem wird überwiegend positiv aufgenommen

Unternehmensführung und Shareholder sind mit dem neuen Vergütungssystem zufrieden. Die oberen Führungskräfte begrüßen insbesondere den jährlichen Überprüfungsprozess, der ihnen neue transparente Möglichkeiten der Gestaltung gibt. Die Mehrzahl der AT-Mitarbeiter hat das neue System ebenfalls positiv angenommen, da es offensichtlich transparenter und gerechter ist als die Situation vorher. Einige wenige AT-Mitarbeiter, deren hohe Gehälter nunmehr im Wesentlichen eingefroren wurden, zeigten sich allerdings unzufrieden.

 Offen ist gegenwärtig der Prozess der individuellen Leistungsbeurteilung, der auch in die jährlichen Anpassungen einfließen soll. Hierzu sind noch die Kriterien der Beurteilungen für einzelne Positionsfamilien klarer zu formulieren und die beurteilenden Führungskräfte umfangreich zu schulen.

 [Quelle für das Titelbild: Shopify Burst]

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